Wilder Streik geht weiter - Arbeiter misstrauen Betriebsräten
Die gute Nachricht aus Rüsselsheim konnte die zornigen Arbeiter in Bochum nicht besänftigen. Trotz der Absichtserklärung des Opel-Vorstandes, alle deutschen Werke möglichst langfristig zu erhalten, wollen viele Opelaner weiter streiken. Sie glauben der Unternehmensleitung und ihren Betriebsräten kein Wort mehr.
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Protestierende Opel-Mitarbeiter: Keine gemeinsame Linie
Rüsselsheim/Bochum - In der Auseinandersetzung um das weitere Vorgehen finden die Mitarbeiter der Bochumer Opel-Werke keine gemeinsame Linie. Die Debatte wird mehr und mehr von Emotionen geleitet, Vorwürfe und persönliche Angriffe ersetzen die Sachargumente.
Die Kluft verläuft zwischen Betriebsrat und Belegschaft - und sie wird immer tiefer. Einzelne Arbeiter warfen den Betriebsräten vor, die Belegschaft spalten zu wollen. Die Betriebräte sehen dagegen die Gefahr, dass ein zu langer Protest ihre Verhandlungsposition drastisch verschlechtern könnte und werfen den Scharfmachern Sabotage vor.
Die Entscheidung soll morgen gegen elf Uhr in einer Art Urabstimmung fallen: "Alle Schichten aller drei Werke sollen darüber entscheiden, ob die Blockade fortgesetzt werden soll", sagte Opel-Mitarbeiter Jürgen Rosental. "Der einzig richtige Weg", pflichtet ihm ein Kollege bei. Eines der drei Bochumer Werke ist allerdings bereits vorgeprescht: Die Schichtarbeiter haben per Abstimmung entschieden, den Streik fortzusetzen.
Mit der internen Auseinandersetzung könnten die Arbeiter einiges aufs Spiel setzen: Denn mit dem Arbeitskampf haben sie bereits eine ganze Menge erreicht. In einer gemeinsamen Erklärung von Gesamtbetriebsrat und Opel-Management bekannten sich beide Seiten zu dem Ziel, die Opel-Werke Bochum, Rüsselsheim und Kaiserslautern soweit auf Vordermann zu bringen, dass sie auch über 2010 hinaus bestehen könnten. Die Gespräche sollen am Donnerstag fortgesetzt werden. Die Arbeitnehmerseite fordert Garantien für die Werke und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
Viele sind damit jedoch nicht zufrieden. Belegschaftssprecher Paul Fröhlich fasst den Unmut zusammen: "In der Tendenz sind die bisherigen Ergebnisse nicht ausreichend." Betriebsratschef Dietmar Hahn nannte die ersten Verhandlungen mit dem Opel-Management dagegen eine "gute Basis".
Die Bundesregierung rechnet trotzdem mit einer einvernehmlichen Lösung. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte in Berlin, er begrüße, dass die Verhandlungen bei Opel begonnen hätten. IG Metall-Chef Jürgen Peters sagte, er sehe Chancen. Der Wille zu einer Lösung sei "eine gute Voraussetzung, jetzt zu einem Erfolg zu kommen".
Da General Motors europaweit in einem Fertigungsverbund arbeitet, können die Bochumer Opel-Arbeiter auch die Produktion in anderen Werken lahm legen. Am Opel-Hauptsitz in Rüsselsheim musste die Vectra-Fertigung wegen fehlender Zulieferungen gestoppt werden. Zuvor hatte bereits das Werk Antwerpen mitgeteilt, die Bänder wegen Teilemangels abzuschalten. In Rüsselsheim werden täglich 700, in Antwerpen 1100 Autos gebaut. In Bochum haben die wilden Streiks die Produktion von rund 2000 Fahrzeugen verhindert. Der Umsatzausfall beträgt Schätzungen zufolge einen zweistelligen Millionenbetrag.
Nach einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" erwägt Opel als Reaktion auf die wilden Streiks fristlose Kündigungen in Bochum. Die Kündigung mutmaßlicher Rädelsführer des wilden Streiks solle mit Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz begründet werden, schrieb die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf informierte Kreise. Arbeitsrechtler halten ein solches Unterfangen allerdings für aussichtslos. Opel wollte den Bericht nicht kommentieren.
Am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim nahmen etwa 20.000 Beschäftigte an dem von Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaften ausgerufenen europäischen Aktionstag teil. "Kein Manager hat es sich je erlaubt, so über die eigenen Marken herzuziehen wie die Bosse von GM in Detroit und Zürich", sagte Gesamtbetriebsratschef Franz. Er sei dennoch bereit zum Dialog mit dem Management. "Bei den Verhandlungen am Montag sind wir einen kleinen Schritt in die richtige Richtung nach vorn gekommen", sagte Franz. Entlassungen dürfe es nicht geben, ein Stellenabbau sei allerdings unausweichlich. "Ich warne davor zu glauben, dass dieser Kelch an uns vorübergehen wird." Quelle Spiegel |